„Wir haben das Abenteuer überlebt.“
Dieser Gedanke drängte sich uns förmlich auf, als wir den Leihwagen, zwar
in mitgenommenen aber nicht schrottreifen Zustand, retournierten.
Selbstverständlich waren wir vorgewarnt,
aber das es so kommen würde, hatten wir dann doch nicht erwartet.
Wie kommt man auf die Idee in Indien ohne Chauffeur zu reisen?
Nun ich würde mal sagen: "Leichtsinn, Abenteuerlust, Adrenalin und eine abgesagte organisierte Rundreise
reichten uns völlig für diese spontane Entscheidung aus."
Um das Fazit gleich
vorwegzunehmen: Es war nicht einfach eine Rundreise, sondern ein Erlebnis das
unsere Gefühle für Land und Menschen auf eine 14-tägigen Achterbahnfahrt
mitnahm. Unvergesslich
schöne, traurige und abstoßende Eindrücke wechselten sich in hoher
Geschwindigkeit ab. Um das Erlebte zu verarbeiten flüchteten wir zur
Übernachtung meistens in alte Paläste (Heritage Hotels) mit fast westlichem Standard.
Zugegeben das war feige, aber wir brauchten diese Idylle und die
Sicherheit um das Erlebte zu
verarbeiten. Nicht zuletzt war auch die Hygiene in den Bädern und im
Hotelrestaurant für uns lebenswichtig.
Aber jetzt erst einmal zurück
zum Anfang.
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Die Planung:
Gut informiert aus
drei Reisführern (Lonely Planet / India, Dumont / Nord-Indien, Vis-à-Vis von
DK Dorling Kindersley / Delhi, Agra & Jaipur) sowie zahlreichen
Internetreiseberichten, buchten wir die Hotels entlang der Route schon aus
Deutschland. Meistens jedoch über das Telefon, da es über E-Mail
nicht zuverlässig
funktio-nierte. Die
Internet-Buchungssystem wie (WiredDestinations und AsiaRooms) funktionierten für uns
schlecht, da am Ende die Rückbestätigungen oder doch die preiswerten Zimmer-Kontingente
fehlten. Zimmer gab es in Indien ab US$5. Da wir jedoch eine kleinen Komfort
(Wanne o. Dusche, warmes Wasser, Toilette im Zimmer, keine Insekten,
Heizlüfter) wünschten, bewegten wir uns im Bereich der US$50 – US$170. Am
teuersten waren die Großstädte und da allen voran Delhi, gefolgt von Agra und
Jaipur. Delhi glänzte dabei mit teueren und heruntergekommen Hotels.
Unterwegs mit dem
Auto:
Aus
dem Internet hatten wir die Erkenntnis, das die durchschnittliche
Reisegeschwindigkeit mit dem Auto bei 50km/h liegt. Das war definitiv nicht
übertrieben. Auch wenn einige neue Autobahnen ohne Schlaglöcher waren, so
verlor man endlos viel Zeit auf den Landstraße. Hier erreichten wir selten
einen Schnitt über 25km/h.
Besonders kritisch war es in den Städten. Egal ob große oder kleine, es wimmelte
von Fahrzeugen aller Art. Je tiefer wir in die Städte vordrangen, desto mehr
wurde es Schrittgeschwindigkeit. Restlos chaotisch wurde es dann regelmäßig in
den Kreiseln. Neben dem ungewohnten Linksverkehr, kratzten im absoluten Chaos
und um jeden Zentimeter kämpfend Fahrräder, Eselskarren, Kamelkarren, Fahrradrikschah, freilaufende Ochsen, Motorroller, Tuk-Tuks, Autos,
Überlandbusse und LKW´s an unserem kleinen Leihwagen entlang. Gegen Abend und
mit zunehmender Dunkelheit eskalierte das Chaos
bis der gesamte Verkehr unter einem Dauerhupkonzert stillstand. Der
vermutlich taube Polizist, der das Gewühle aus der Mitte regeln sollte, konnte einem nur
leid tun.
Sehr schnell lernten
wir, das Blinken außerhalb von Delhi nicht wirklich wichtig ist. Den Rikschahfahrer, den wir rammten oder er uns, so genau wusste das keiner,
interessierte der gesetzte Blinker nicht. Unsere abgerissene Stoßstange auch nicht
wirklich. Eigentlich war es auch egal, den Erstens konnten wir in dem Gewühl
die Tür nicht öffnen um nachzusehen und Zweitens sprachen wir sowieso keinen Brocken
Hindi.
Wir versuchten es ab dann mit dem indischen Blinker. Ein aus dem Fenster
gehaltener Arm unterliegt zwar dem Risiko von einem LKW oder Bus abgefahren zu
werden, aber wir verschafften uns zumindest immer wieder Freiraum um aus der
Mitte in kleinsten Schritten zur Ausfahrt zu gelangen. Dabei durfte man nicht vergessen, dass man mit der Hand am ausgestreckten Arm einen Blinker simulieren
musste!
(Hand zur Faust ballen und ausstrecken. Im Sekundentakt wechseln.)
Auf den neueren Autobahnen, wie zwischen Delhi und Jaipur, konnte man auch mal
100km/h riskieren. Aber nur wenn man eine lange Gerade vor sich hatte. Denn in
und nach den Kurven gab es viele Überraschungen. Am Anfang waren wir noch in
Panik, hatten uns dann aber doch an auf der falschen Spur entgegenkommende
LKW´s, Kuhherden, verlorene Hinterachsen und Räder, mitten auf zwei Spuren
liegen gebliebene LKW´s gewöhnt. Das LKW´s unbeirrt auf irgendeiner Spur fuhren
und uns nach Hupen auf einer der beiden Seiten vorbeiwinkten
fanden wir schon nach wenigen Stunden selbstverständlich. Damit dies auch
wirklich jeder
versteht, waren die "Regeln" auf jedem LKW hinten angeschrieben. "Blow Horn"
und "Wait Side" oder das phonetisch geschrieben "Wait Said" waren klar und
verständlich. Nur zur Vollständigkeit des Berichtes gebe ich zu, dass ich 30
Minuten brauchte
um herauszubekommen, das nicht die meisten indischen LKW-Fahrer den arabischen
Vornamen "Said" trugen, sondern das es ein Schreibfehler war. ;-)
Abseits
der Autobahnen war jeder Kilometer eine Überraschung. Mal waren die
Schlaglöcher so groß, dass wir mit unserem kleinen Auto hindurchfahren mussten und mal war die Straße mit
so kleinen aber zahllosen Löchern übersäht, das wir nur im Schrittempo
vorwärts wackelten. Die größte Überraschungen waren die
Speedbreaker-Bodenwellen. Wir lernten schnell, das diese vor und in den
Ortschaften ohne Warnschilder und fast nicht zu erkennen vor uns auftauchten.
Waren wir am Anfang noch so mutig und bretterten ohne zu bremsen darüber, so
wurden wir nach dem ersten Platten deutlich vorsichtiger. Jedoch nicht
vorsichtige genug, denn wir hatten noch weitere Plattfüße und mussten sogar
die Felgen geradebiegen lassen.
Nach
einigen Tagen riskierten wir dann sogar eine Fahrt in die Nacht hinein. Ohne
Straßenlampen und natürlich keinerlei Lampen an allem was kleiner als ein Auto
war, hätte man auch als Blinder mit dem Auto fahren können. Als wir endlich
die kleine Stadt hinter uns hatten, wurden die Überholmanöver der Anderen nur
noch lebensgefährlich. Wir gaben klein bei und klemmten uns hinter den
erstbesten LKW. Wir fuhren so dicht auf, dass kein weiteres Fahrzeug
dazwischen passte und überlebten!
Erstaunlicherweise sahen wir trotz der
chaotischen Fahrweise nur wenige
Unfälle. Meistens LKW´s, die frontal aufeinander
geprallt oder in den Kurven umgekippt waren. Die Fahrer waren irgendwie nie
schwer verletzt. Vermutlich sprangen diese in letzter Sekunde aus dem Führerhaus.
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